Die Vorzüge der Wuschelwolf-Therapie

Die Vorzüge der Wuschelwolf-Therapie

ERBACH/BAD KÖNIG. Über Mitarbeiter, die jeden Morgen gut gelaunt an ihrem Arbeitsplatz erscheinen, engagiert ihren Dienst erledigen und dafür noch nicht einmal eine Bezahlung fordern, freut sich wohl jeder Arbeitgeber. Seit rund sieben Jahren verfügt die Tagesstätte der Behindertenhilfe Integra über einen derartigen Kollegen.

Der Mitarbeiter heißt Benny, ist am letzten Tag des Jahres 1996 auf die Welt gekommen und wird in seinem Pass als „Odenwälder Wuschelwolf“ geführt. Wobei es sich nicht etwa um einen Personalausweis handelt, sondern um ein Impfzeugnis, weil dies nun einmal das höchste Erkennungspapier ist für einen Hund wie Benny.

Von seinem Menschen wird Benny weniger vornehm, aber um so herzlicher als „reinrassiger Mischling“ klassifiziert. Und Heiko Birkenstock muss es wissen. Schließlich teilt er mit dem Hund nicht nur eine Freundschaft, sondern auch den Beruf. Denn wie Benny arbeitet er in der Tagesstätte der Förder-, Betreuungs- und Arbeitsorganisation für gehandicapte Bürger; er allerdings wird dafür bezahlt. Schon während seiner Ausbildung zum Ergo-Therapeuten in Merzig/Saarland befasste sich Heiko Birkenstock mit tiergestützter Therapie und dachte dabei an ein Projekt wie einen therapeutischen Bauernhof. Das blieb jedoch ein Traum, schon aus finanziellen Gründen. Sein Berufsleben nach der Ausbildung begann der gebürtige Bad Königer im benachbarten Erbach mit dem Aufbau der Integra-Tagesstätte für chronisch psychisch kranke Erwachsene. Zu dieser Zeit kam er auch auf den Hund: Benny bereicherte sein Privatleben und sollte auch schon bald bei der Arbeit helfen. Bei seinem Vorgesetzten Detlef Blitz und dem damaligen Amtsarzt Hans-Peter Schreck rannte der engagierte Therapeut mit seiner Idee, den Hund mit in die Einrichtung zu bringen, offene Türen ein. Die Bedingungen: Benny muss gesund sein, darf nicht in die Küche, niemanden beißen und in den Ecken keine Haufen und Pfützen hinterlassen. Und: Heiko Birkenstock muss selbst für die Ausbildung seines Hundes aufkommen.

Ein Jahr lang besuchten Vier- und Zweibeiner die Hundeschule in Höchst, täglich wurde geübt. Der Inhaber der Hundeschule, Werner Thierolf, unterstützte die Idee, und aus der Zusammenarbeit entstand 2001 der Verein „Aktive Lebenshilfe mit Hunden“. Nach einem Jahr hatte Benny es geschafft, er war gesellschaftsfähig und reagierte auf Zeichen. „Eigentlich kann er nichts Besonderes“, erklärte Heiko Birkenstock, „er ist ein ganz normaler Hund“. Das Wesentlich ist der enge Bezug zwischen Mensch und Hund, verbunden mit dem absoluten Gehorsam des Vierbeiners. „Es ist oft nur seine fellige Anwesenheit, die mir bei der Arbeit hilft“, so der Ergo-Therapeut.

Der Hund taugt als Medium, um den Zugang zu den oft menschenscheuen Klienten zu finden. Die psychisch Kranken lernen mit Benny zudem Verantwortung, beispielsweise beim Gassi-Gehen. Der Vierbeiner dient als positiver Verstärker, wenn nach einer Aufgabe die Belohnung im Raum steht, mit dem Hund etwas zu unternehmen. Und mit Benny dürfen die Patienten auch schmusen und kuscheln; er gibt ihnen die körperliche Nähe, die menschliche Therapeuten nicht geben können und dürfen.

Nur einen Rückfall hatte Benny nach seiner Ausbildung: Er glaubte, durch lautes Bellen die Tagesstätte gegen fremden Besuch verteidigen zu müssen. Die Klienten freuten sich, dass der Hund sie so gut beschützt. Aber das war unnötig und sollte nicht sein – und nach einem weiteren Besuch der Hundeschule hatte Benny auch das kapiert. Längst spielt Heiko Birkenstock, inzwischen Leiter der Tagesstätte, hinter Benny die zweite Geige, zumindest bei den Klienten. Am deutlichsten zeigt sich das, wenn die beiden Urlaub haben: Erst wird der Hund schmerzlich vermisst, dann kommt die lapidare Feststellung, dass Heiko offenbar auch nicht da ist.

Liane Probst-Simon - 14.4.2004