Therapeuten auf vier Pfoten
Therapeuten auf vier Pfoten
Odenwälder Echo 09. Oktober 2009
Behindertenarbeit: Der Verein „Aktive Lebenshilfe mit Hunden“ präsentiert sich auf dem Gruberhof in Groß-Umstadt
Es riecht nach frischer Bratwurst und anderen Leckereien. Für die kann ein Hund seine gute Erziehung schon mal vergessen. Der Verein „Aktive Lebenshilfe mit Hunden“ mit Sitz in Höchst hat zu einem Aktionsfest in den Umstädter Gruberhof im Raibacher Tal eingeladen. Er will bei der Gelegenheit über seine Arbeit informieren und ganz spezielle Förderprojekte vorstellen. Auch für musikalische Unterhaltung ist gesorgt. Die Band „Bob’s Your Uncle“ spielt für die Besucher.
Vermutlich hätte auch Talisha gerne einen Wurstzipfel, doch zurzeit fordert etwas anderes die ganze Aufmerksamkeit der Pudeldame. Ihr Körper ist erwartungsvoll gespannt, der Blick konzentriert, ein leichtes Schwanzwedeln verrät die Vorfreude auf die Aufgabe, die ihr Timo gleich stellen wird.
Dann ist es soweit: Timo klopft leicht auf die Armlehne seines Rollstuhls, Talisha läuft zu dem kleinen behinderten Jungen im blauen Shirt und setzt sich neben ihn. Lässt der Achtjährige einen Gegenstand fallen, den er allein nicht wieder aufheben könnte, ist die Hündin sofort zur Stelle. Sie weicht auch nicht von seiner Seite, als er sich mit seinem Rollstuhl in Bewegung setzt.
Einem Hund wie Talisha begegnet man nicht alle Tage. Die Pudeldame ist beinahe so groß wie ein Labrador, jedoch mit schneeweißem Fell und dem typischen Pudel-Haarschnitt. Doch nicht nur ihr Aussehen ist ungewöhnlich – sie hat auch eine besondere Ausbildung.
„Talisha hat hier die Funktion eines Therapiebegleithundes“, erläutert Werner Thierolf und erklärt: „Hunde mit dieser Ausbildung motivieren Menschen mit Behinderungen zu bestimmten Handlungen und Bewegungen und eröffnen ganz neue Therapiemöglichkeiten.“
Thierolf ist Hundetrainer und Vorsitzender des Vereins. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Lebensqualität behinderter Menschen zu verbessern, indem Vierbeiner als Co-Therapeuten und Alltagsbegleiter eingesetzt werden. Einige erfolgreiche Therapieprojekte kann der Verein im Gruberhof präsentieren.
Dazu gehören auch Leonie und ihr Hund Yuka. Leonie hat das „Rett-Syndrom“, eine Erkrankung, die durch eine gestörte Sprachentwicklung und stereotype Handbewegungen gekennzeichnet ist. Der Hund habe ihrer Tochter geholfen, mit der veränderten Situation nach mehreren Operationen zurecht zu kommen, erzählt Leonies Mutter Dagmar Coutandin. Durch Yuka als Motivator habe Leonie gelernt präzise zu greifen und selbstständig zu essen. Auch der Hund, der aus einem Tierheim stammt und „sehr ängstlich gewesen sei“, habe durch seinen „Job“ Selbstvertrauen gewonnen. An Yukas Ausbildung war der Verein „Aktive Lebenshilfe mit Hunden“ maßgeblich beteiligt.
„Man kann zwar einen ausgebildeten Hund in eine Familie überführen“, sagt Thierolf. Doch es sei sinnvoller, die Tiere in und mit der Familie auszubilden. Dadurch entstünde eine stärkere Bindung zwischen Mensch und Tier. Auch Timo, der an einer Muskelschwäche leidet, bekommt bald einen eigenen Hund. „Flash“, der apricotfarbene Pudel, ist erst wenige Tage alt und derzeit noch bei einer Züchterin in Stuttgart zu Hause. „Im Dezember kommt er zu uns nach Habitzheim“, freut sich der Achtjährige.
Sein Beispiel zeigt: Förderprojekte bedeuten neben dem Beistand für den Menschen eine weitaus umfangreichere Aufgabe. Sie beginnt mit der Auswahl des Züchters, bedeutet die Begutachtung der Hunde-Eltern und die Auswahl eines Welpen, auch ist der junge Hund in die Familie zu integrieren. Der Verein übernimmt hier beratende und steuernde Funktion sowie die finanzielle Förderung eines Projekts. Die Kosten für Anschaffung und Ausbildung des Hundes trägt so auch im Fall von Leonie und Yuka der Verein. „Wir sind froh, dass es den Verein gibt“, sagt Coutandin. Schließlich gebe es von den Krankenkassen keinen Cent: „Die stufen einen Therapiehund als Freizeitvergnügen ein.“
Melanie Schweinfurth - 9.10.2009